Ich schaue mir meine beträchtliche Anzahl gemachter Fotos an und frage mich, welche meiner noch frischen Eindrücke werden mir in ein oder zwei Jahren zu dieser Reise wieder in den Sinn kommen? Ist es der intensive Duft blühender Pomeranzen, der uns in der Innenstadt von Jerez de la Frontera um die Nase wehte? Oder die unendliche Weite von Millionen von Olivenbäumen, die wir auf der Fahrt von Córdoba über Jaén nach Granada gesehen haben?
Ganz bestimmt wird mir unser Besuch in der Moschee-Kathedrale von Córdoba im Gedächtnis bleiben. Gerechnet an der Fläche von 23.000 m² ist sie das größte Gotteshaus der Welt. Sie wurde ab 784 als Moschee erbaut und nach der Rückeroberung von den Mauren 1236 zur Kirche umgewidmet. Damit stehen sich im Innern zwei diametrale Baustile gegenüber, zum einen ein islamisches Gebetshaus mit seinen harmonisch übereinander liegenden Hufeisenbögen und zum anderen eine Basilika im Stil der spanischen Renaissance. Das Hineinpressen der Basilika in das bestehende Gebäude fand gegen den Widerstand des Stadtrates von Córdoba, aber mit Billigung des Habsburger Kaisers Karl V. statt. Ihm wird zugeschreiben, dass er bei einem Besuch der Stadt seine Zustimmung bitter bereut haben soll.
Unser örtlicher Führer Miguel sprach ein so akzentfreies Deutsch, was Mitglieder der Gruppe zur Frage nach seiner Herkunft bewog. Er sei, so erzählte er, als Gastarbeiterkind geboren und musste auf Wunsch seiner Eltern nach Spanien »zurück-« kehren. So war er in Deutschland der Spanier und in Spanien der Deutsche. Damit hatten wir das Thema der gegenseitigen Achtung erneut vor Augen.
Die Alhambra ist ein aus Palästen und Gärten bestehendes Weltkulturerbe. Unser Führer Manuel lehrte uns, die maurische Architektur besser zu verstehen. Z. B., dass ein Untergebener glaubte, bei der Begegnung mit seinem islamischen Herrscher in einem Hof der Nasridenpaläste auf Augenhöhe zu stehen. Aus der Perspektive des Herrschers stand dieser aber in Wirklichkeit ein gutes Stück höher. Ein als Trapez konstruierter Raum ermöglichte die perfekte Täuschung. Wir erlebten bei niederen Temperaturen und schönstem Sonnenschein eines der bedeutendsten Beispiele des maurischen Baustils und der islamischen Kunst.
Was für eine Stadt: Sevilla, die Hauptstadt Andalusiens. Wir schlenderten über den Plaza de España und erlebten abends hautnah den Flamenco. Wir besuchten die größte Kirche Spaniens, die Kathedrale Santa Maria mit ihrer knapp 105 Meter hohen Giralda, das zum Glockenturm erweiterte ehemalige Minarett der alten maurischen Moschee. Mit dem Namen Christoph Columbus wird sich für mich immer das imposante Grabmal in der Kathedrale einprägen. Er wird verehrt, weil er von Sevilla aus zur Entdeckung der neuen Welt aufbrach. So fand zur fünfhundertsten Wiederkehr der Entdeckung Amerikas im Jahre 1992 eine große Weltausstellung statt. Die Stadt erhielt viele neue moderne Gebäude. Davon besuchten wir das Metropol Parasol, ein imposantes Holzgebilde mitten in der Altstadt. Das Bauwerk gilt als größte Holzkonstruktion der Welt. Es wird wegen seines Aussehens auch »Pilze« genannt. Vom Dach genossen wir einen 360-Grad-Rundblick über die gesamte Stadt.
Der Stierkampf ist ein viel diskutiertes Thema in Spanien. Jesus, unser Städteführer in Ronda, erzählte in der ältesten Stierkampfarena Spaniens von Leidenschaft, Neutralität und Ablehnung. Er vermittelte uns eindrücklich, wie die Debatte mitten durch die spanische Gesellschaft geht. Er selbst ist als Spanier mit dem Stierkampf aufgewachsen und tief verwurzelt. Seine Mutter interessiert sich nur für die eleganten Toreros, nicht aber für den Kampf. Seine Tochter, so wie viele junge Spanier, interessiert sich überhaupt nicht mehr dafür.
In den Städten konnten wir auch die Vorbereitungen für die Karwoche, die Semana Santa sehen. Unsere Reiseleiterin Gabi erklärte uns, dass für viele Spanier dies die wichtigste Woche im ganzen Jahr ist. Von Bruderschaften werden oft mehrere hundert Kilogramm schwere Pasos (Marienfiguren oder Kreuzwegszenen) in feierlichen Prozessionen durch die Städte getragen. Auch unser Busfahrer Petro ist Mitglied einer Bruderschaft und fiebert seit Wochen diesem Ereignis entgegen.
Am Vorabend des Hochfestes »Verkündigung des Herrn« feierten wir unseren gemeinsamen Gottesdienst. Pfarrer Reinhold Hübschle zeigte uns, wie auch der Koran von dieser Begebenheit berichtet, Christentum und Islam sind an einigen Stellen nicht sehr weit voneinander entfernt. Großartiges und Einmaliges haben wir gesehen. Der am Anfang der Reise zitierte Satz »Man sollte Andalusien einmal gesehen haben, bevor man von dieser Welt abtritt«, hatte sich somit als richtig erwiesen. Ein herzlicher Dank geht besonders an Gabi und an Pfarrer Reinhold Hübschle für die interessanten und harmonischen Tage im südlichen Spanien.
Bericht: J. Schmidt
Foto: D. Nabholz